Weidinger: „Migranten weder als Täter noch als Opfer sehen.“8 Min. Lesedauer
ÖVP-Spitzenkandidat Andreas Weidinger über Sebastian Kurz, Andreas Rabl und die Themen Integration, Verkehr, Jugend und die Situation der Welser Senioren.
Herr Weidinger, auch wenn Sie sich wahrscheinlich nicht über diese Anfangsfrage freuen: Ihr Bundesparteiobmann Sebastian Kurz ist derzeit schwer unter Beschuss. Was denken Sie darüber?
Meine Begeisterung hält sich natürlich in Grenzen. Wenn man aber sieht, was im Untersuchungsausschuss passiert, dann hat das mit einer fairen Behandlung nichts zu tun. Da geht es nur mehr darum, Politiker mit schlechten Manieren, Zwischenrufen und Beleidigungen zu denunzieren. Warten wir einmal ab, was passiert. Dass Posten von Parteien besetzt werden, ist nicht neu und wird ja von allen Parteien betrieben. Mag. Direktor Franzmayer war bei der ASFINAG Aufsichtsratsvorsitzender und musste gehen, weil die Grünen hier auch umgefärbt hatten. Aber eines muss schon gewährleistet sein, nämlich, dass die Personen schon auch fachlich geeignet sein müssen. Schauen Sie sich das Magistrat Wels an. Bürgermeister Rabl hat hier auch seine Leute untergebracht. Das Rothaus wurde zum Blauhaus. Fürchterlich, mit welcher Geschwindigkeit hier umgefärbt wurde. Die FPÖ tat genau das, was sie an der SPÖ so kritisiert hatten.
Natürlich ist es ein offenes Geheimnis, dass jede Partei Leute aus ihren Reihen an gewisse Positionen setzt.
Ich stehe für Leistung vor Parteibuch. Sollte ich Bürgermeister werden, würde ich unabhängig von der politischen Einstellung die am besten geeigneten Personen nehmen. Wer mich kennt, weiß, dass ich das ernst meine. Wels kann mehr und darf nicht stehen bleiben. Es gibt noch so vieles zu tun. In die Stadtteile muss investiert werden. Endlich haben FPÖ und SPÖ das auch erkannt und geben mir Recht. Nur dafür brauche ich keine Umfrage. Das hätte man gratis erfahren können, wenn man mit den Leuten redet. Der Steg von der Pernau über die Traun nach Schleißheim auf dem neu errichteten Landesradweg mit demThema „Radln von Wirt zu Wirt“ wäre doch was zur Belebung in der Pernau. Gleich die Gastro einbinden wäre von Vorteil. Die Stadtteile sollten sich Gedanken machen, welches Fest in ihrem Stadtteil durch die Stadt finanziert werden soll. Ein fixes Fest mit einem Motto für jeden Stadtteil. Das fördert die Bindung zum jeweiligen Stadtteil. Man kommt zusammen und entwickelt etwas. Mir würde auch gefallen, das Neustadtfest wieder zu aktivieren. Der Grünbachplatz und die umliegende Gastro eignen sich hervorragend. In der Schafwiesen bemühen sich junge Menschen seit Jahren um das Schafwiesenfest. Ein sehr tolles Fest. Mir gefällt das. Es gibt so viele tolle Menschen mit guten Ideen. Aber ganz ehrlich, ich würde keine Politiker in diese Gremien entsenden. Die Entwicklung muss „politikfreie Zone“ sein.
Ist eine saubere Politik in der Realität eigentlich möglich oder ein Widerspruch in sich?
Eine saubere Politik ist absolut möglich. Ich bin seit 32 Jahren Polizeibeamter und habe Handschlagqualität und sehe mich als Dienstleister am Bürger. Ich bin kein Mensch, der über andere drüberfährt. Ich schätze mich als pragmatischen Menschen mit Empathie ein. Ehrlichkeit und Respekt sind schon Tugenden, die ein Politiker haben sollte. Eigentlich setze ich das voraus. Die Politikverdrossenheit ist eh schon unerträglich. Wir müssen den Menschen endlich zeigen, dass es auch anders geht. Vom Polizeiberuf mit gutem Vertrauensindex bei der Bevölkerung zum Politiker ist schon ein wenig eigenartig, wurde ich schon öfters gefragt. Ich möchte beweisen, dass es auch sehr viele gute Politiker gibt, denen man auch vertrauen kann.
Wie sieht Ihre Antwort auf die Integrationsproblematik aus?
Differenziert. Migranten werden von einer politischen Seite immer als Täter gesehen und von der anderen Seite als Opfer abgestempelt. Beides ist falsch. Es gibt nicht die Migranten, sondern es sind Menschen, die hier leben wollen. Als solche haben sie sich nun einmal an unsere Werte und Gesetze zu halten. Wir brauchen keine Parallelgesellschaften. Was in Wels passiert ist, sehen wir ja. Seit fünf Jahren war für die FPÖ alles gut beim Thema Integration. Jetzt im Wahljahr kommen sie drauf, dass doch nicht alles gut ist. Die FPÖ wird unzählige Umfragen präsentieren, die ihnen gute Arbeit bei diesem Thema bescheinigen. Furchtbar, weil die Realität anders ausschaut. Die FPÖ liefert gerne einfache Antworten, kann diese aber nicht erfüllen. Nichts ist wirklich gelungen. Aber es gibt auch keine Patentlösung. Es ist ein schwieriges Thema, das von allen Parteien gemeinsam zu lösen sein wird. Eines steht für mich fest. Menschen, die sich hier bemühen, redlich sind und einer Arbeit nachgehen, sollten wir nicht bestrafen. Im Gegenzug sollten kriminelle Menschen endlich tatsächlich abgeschoben werden. Der Blick durch die rosarote Brille bringt nichts.
Hier wird Ihnen die Mehrheit der Leute recht geben, aber die Flüchtlingskonvention sagt etwas anderes.
Natürlich ist es rechtlich und auch organisatorisch oft schwierig, Leute abzuschieben. Aber Gesetze und auch internationale Vereinbarungen kann man ändern. Gerade Corona hat uns gezeigt, dass man in gewissen Situationen auch unpopuläre Entscheidungen treffen muss.
Was kann man auf Kommunalebene bei der Integrationsproblematik machen?
Ehrlich gesagt sehr wenig, wenn sich Menschen einfach nicht integrieren wollen. Ich kenne Menschen, die mir ins Gesicht sagen, dass das alles nichts bringt, weil sie sich nicht integrieren wollen. Niemand hat für sie etwas über, und deshalb treffen sie sich in den Vereinen. Ich befürchte, dass in Wels die Integration der letzten 5 Jahre als gescheitert bezeichnet werden kann. Es müsste eine Integrationsfigur ins Spiel gebracht werden. Jemand, auf den sehr viele Migranten hören. Mir tun die Lehrkräfte und die Kindergartenpädagogen leid. Die können das nicht mehr lange stemmen. Viele haben schon aufgegeben. Ich sage das, was mir viele Menschen im Vertrauen gesagt haben. Die FPÖ tut jetzt so, als wäre der Bund an allem schuld. Das ist die einfachste Lösung. Weg mit der Verantwortung.
Welche Themen sind Ihnen noch wichtig?
Wichtig ist mir als ÖAAB Obmann, dass die Pendler schnell, günstig und sicher in die Arbeit kommen. Es ist höchste Zeit, folgende Schritte umzusetzen: Echtzeitanzeige bei den Haltestellen. Wann kommt der nächste Bus. Die Wels Linien wären für mich ein geeigneter Partner, um beim Thema Ausbau öffentlicher Verkehr endlich voranzukommen. Der City Bus mit Anfang und Ende am Bahnhof, der rund um die Innenstadt fährt, wäre so wichtig. Machen wir doch erst einmal unsere Aufgaben in Wels und schauen wir, dass wir Wels als Vorzeigeprojekt beim Verkehr machen.
Die SPÖ fordert nun eine Straßenbahn für Wels.
Bis vor 6 Jahren hat die SPÖ Wels regiert. Komischerweise hat man hier seitens der Sozialdemokraten nie etwas von Straßenbahnplänen, geschweige vom Ausbau des öffentlichen Verkehrs gehört. Ich mache der SPÖ einen Vorschlag: Wir fordern nun gemeinsam für die Linienbusse einen 10-Minuten-Takt, anstatt dem schon lange überholten 15-Minuten-Takt. Und dann lassen wir das Liniensystem so planen, dass es endlich auch einmal für Pendler interessant wird. Also nicht nur der KJ als zentraler Verkehrsknotenpunkt, sondern auch eine stärkere Einbindung des Drehkreuzes am Bahnhof. Wenn wir einmal diese realistischen Punkte umgesetzt haben, können wir weiter über Luftschlösser diskutieren.
Außerdem sollte man endlich einmal mehr Budget für die Sanierung der Welser Straßen ausgeben. Diese sind nämlich ein Fleckerlteppich in Teerform und schon lange sanierungsbedürftig. Und das alles wäre noch immer günstiger als so eine Straßenbahn. Ein Kilometer einer Straßenbahn kostet 10-20 Millionen Euro. Und das sind nur die Geleise. Eine Straßenbahngarnitur kostet 3 Millionen – eine einzige wohlgemerkt. Um dieses Geld können wir gleich einen 3-Minuten-Takt bei den Bussen einführen und die FUZO vergolden.
Man merkt, Sie sind in Sachen Verkehrsplanung gut informiert. Welche Themen wird es noch bei der ÖVP geben?
Einige: Von der Jugend angefangen bis zu den Senioren.
Beim Thema Jugend bin ich der Überzeugung, dass wir als Stadt mehr für diese Altersgruppe schaffen müssen. Ich bin ja bekanntlich für die Bebauung des Messegeländes Ost. Und zwar nicht rein mit Wohnungen, sondern als urbanes Stadtquartier mit Caféhaus und ansprechenden Fortgehmöglichkeiten. Mir fällt auf, dass wir zwar in Wels viele Nachtlokale haben, aber diese sich alle mehr oder weniger gleichen. Wir brauchen hier ein individuelleres Angebot, um für Jugendliche und auch Studenten interessanter zu werden. Ich kann mir auch vorstellen, kreative Gastroideen seitens der Stadt zu fördern. Gerade nach Corona wäre das einerseits eine Hilfeleistung für die Gastronomen, aber auch eine Motivation, ein besseres und breitgefächertes Angebot zu schaffen.
Wie sieht es bei den Senioren aus?
Die Seniorinnen und Senioren sind mir ganz besonders wichtig. Diese Menschen werden immer vernachlässigt. Es gibt sehr viele Menschen, die schlecht zu Fuß unterwegs sind. Wir müssen danach trachten, dass wir keine Stolperfallen bauen. Ebene Einstiegsstellen bei den Bussen usw. Klare und deutliche Hinweise in allen Lebenslagen. Die Naherholung für ältere Menschen ist mir auch ein Anliegen. Viele ältere Menschen beklagen den Mangel an Haus- und Allgemeinärzten. Die Warteschlangen vor den Praxen sind für ältere Menschen eine Zumutung. Es wird von der ÖVP ein Paket für ältere Menschen geschnürt.
Ich würde gerne bei den städtischen Pflegeeinrichtungen etwas verändern. Ich würde zuerst den Namen „Heim“ nicht mehr verwenden. Besser passt Residenz. Ich würde gerne ein Alten- und Pflegeheim wie ein Hotel bauen. Wie die privat geführten Residenzen.