Stadtleben Zeitung

Peter Sönser: Die Sicht von außen8 Min. Lesedauer

29. September 2019 5 Min. Lesedauer

Peter Sönser: Die Sicht von außen8 Min. Lesedauer

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Der grüne Welser Gemeinderat Peter Sönser ist in Vorarlberg geboren und wurde in Salzburg politisiert. Jetzt lebt er in Wels. Im Gespräch mit einem Realpolitiker, der die Stadt auch mit einer gesunden Distanz sieht.

Herr Sönser, Sie wirken so normal und sympathisch. Was machen gerade Sie bei den Welser Grünen?
(lacht) Politisch geprägt wurde ich in meiner Studienzeit in Salzburg. Zur damaligen Zeit waren der Schutz der Salzach, das Waldsterben und der Protest gegen das Kraftwerk Hainburg zentrale Themen, die mich zur Bürgerliste in Salzburg gebracht haben.
Ich fühle mich aber auch bei den Welser Grünen sehr wohl, die mich herzlich aufgenommen haben. Ich bin allerdings sowas wie ein „Außen“ im „Innen“. Das erlebe ich auch in der Stadt so!

Umweltschutz war immer ein Kernthema der Grünen. Davon war in den letzten Jahren wenig zu hören.  Wie weit können Sie sich noch mit den heutigen Grünen identifizieren?
Es ist ja grundsätzlich nichts Schlechtes, wenn sich eine Partei weiterentwickelt und inhaltlich breit aufstellt. Die Grünen gibt es jetzt schon über 30 Jahre. Es wäre ja ein Armutszeugnis, wenn man bis heute nur eine Kernkompetenz bei zwei, drei Themen hätte.

Das ist schon richtig. Aber wenn man es hart formuliert, haben sich die Grünen von einer Umweltschutzbewegung zu einer fast schon staatsfeindlichen Organisation entwickelt. Man hat noch das Plakat der Grünen Jugend im Kopf, auf dem ein Radierer abgebildet ist, der die Staatsgrenze Österreichs ausradiert samt dem Text „Nationen überwinden“.
Die damaligen Jungen Grünen haben sich bekanntlich von den Grünen losgelöst und arbeiten mittlerweile mit der KPÖ zusammen.
Aber ich verstehe Ihre Kritik in der Art, dass den Grünen mit ihren Forderungen oft nicht der erforderliche gesellschaftliche Realitätssinn nachgesagt wird. Das mag in manchen Bereichen zu fortschrittlichen, innovativen Vorschlägen geführt haben, aber es gibt auch Punkte, die so idealistisch sind, dass sie selbst mit viel Fantasie nur schwer umsetzbar sind.

Ich stehe bei den Grünen bzw. generell in der Welser Politik für Sachthemen, denn das ist es, was die Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten. Die Politik muss Lösungen für aktuelle Fragestellungen entwickeln und das über Parteigrenzen hinweg und am besten zusammen mit der Bürgerschaft. Das erwarten sich die Bürger zu Recht von der Politik.
Bürgermeister Andreas Rabl schätze ich in diesem Zusammenhang sehr, da er offen ist, Neues auszuprobieren, wie zum Beispiel den Bürgerrat als aktives Instrument der gestaltenden Mitbestimmung.

Andreas Rabl ist doch bei der FPÖ?! Ist das für einen Grünen nicht eine Todsünde?
Ja, und? Soll er doch bei der FPÖ sein. Wir machen hier in Wels Kommunalpolitik. Dabei geht es nicht darum, sich gegenseitig runterzumachen und einander Nettigkeiten über die Medien auszurichten. Gerade in der Kommunalpolitik muss es das Ziel sein, durch Kooperation Lösungen für die Menschen dieser Stadt zu entwickeln.


Kommen wir nun zu den Sachthemen: Sie setzen sich für Bürgerbeteiligung ein. Diese kann schnell zur Pseudo-Bürgerbeteiligung werden. Gerade bei diesen von der Stadt organisierten Treffen, bei denen die Bürger ihre Ideen einbringen sollen, kommen doch meist immer dieselben Leute, die aber nicht die Mehrheit der Bürger repräsentieren. So wird die Volksmeinung verfälscht, und es kann schnell zum Querulantenstadl werden.
Das stimmt. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten, Bürgerbeteiligung zu organisieren. Beispielsweise indem Bürgerinnen und Bürger zufällig ausgewählt und eingeladen werden mitzumachen. So verhindert man, dass es immer nur dieselben Leute sind, die sich an Projekten beteiligen und tatsächlich eine gute Mischung der Bevölkerung vertreten ist. Im Fall des Kaiser-Josef-Platzes wurde dieses System bereits sehr erfolgreich angewandt. Der klassische Bürgerrat nach dem Vorarlberger Modell. 14 Bürgerinnen und Bürger wurden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und erstellten ein sogenanntes Bürgergutachten. Das wurde von allen politischen Parteien in Wels mitgetragen. Und es geht dabei nicht darum, jede Forderung 1:1 umzusetzen, sondern die Ideen in die weiteren Planungs- und Entscheidungsschritte ernsthaft miteinzubeziehen.

Und die Politiker waren eher geschockt, was die Bürger alles wollen.
(lacht) Da sehen Sie mal, was die Bürgerinnen und Bürger alles bewegen können, wenn man sie nur lässt.

Ja, aber wenn es Leute gibt, die den ganzen KJ begrünen wollen, ist das natürlich unrealistisch.
Das ist mir neu. Ich habe in den bisherigen Gesprächen sehr sinnvolle Vorschläge gehört. Gerade beim Thema Busverkehr, der den Kaiser-Josef-Platz doch sehr dominiert. Hier haben die Bürgerinnen und Bürger klar formuliert, dass es für die Busdrehscheibe einen anderen Standort braucht.  Außerdem wurde einmal mehr das Anliegen geäußert, dass sich Buslinien auch außerhalb der zentralen Umsteigestelle kreuzen sollten. Das sind allesamt sehr brauchbare Ideen. Und das Spannende ist, dass der Bürgerrat sehr klar die Komplexität der Platzgestaltung des KJs herausgearbeitet hat. Das wiederum bestätigt einmal mehr, dass man die Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen muss.

Werden Sie denn von der Politik ernst genommen?
Das ist ein Grundproblem. Die Politik hat nach wie vor völlig unbegründete Ängste vor der direkten und verbindlichen Mitbestimmung der Bevölkerung. Die Leute wollen nicht mehr bloß alle paar Jahre zur Wahlurne gehen und dann im wahrsten Sinne des Wortes ihre Stimme abgeben. Wir leben in einer Demokratie, und das bedeutet mehr als bloß das Kreuzerl bei einer Partei zu machen. Demokratie bedeutet Mitbestimmung, das eigene Lebensumfeld mitzugestalten.

Die Welser Politik ist generell sehr rückschrittlich. Hier sind die Welser Grünen nicht ausgenommen. Man beschäftigt sich mit Randthemen, nur nicht mit Stadtentwicklung.
Das Problem ist hier in Wels – wie übrigens in vielen Orten, dass sich eine relativ kleine Gruppe von Leuten entwickelt hat, die eine Art Meinungshoheit über die Stadt gebildet haben. Das ist eine Mischung aus Politik, Wirtschaft, Kunst und auch Medien. Die große Mehrheit der hier lebenden Menschen wird (noch) nicht entsprechend in den politischen Diskussionsprozess eingebunden. Und wenn es einmal Ideen aus der Bevölkerung gibt, dann schütteln Politiker oftmals erschüttert den Kopf und sagen, das wäre alles viel zu teuer und nicht umsetzbar.
Die Politik in Wels lebt – wie insgesamt die Politik – in einer „Blase“ und macht es sich selbst schwer hier herauszukommen. Diese Blase ist ja auch ein starkes Netzwerk. Die Leute, die sich in diesen Netzwerken befinden, haben sämtliche Vorteile und natürlich kein großes Interesse an einer Veränderung.

Sie meinen, es ist egal, welche Partei in Wels regiert. Es gibt eine Einheitsmeinung, weil jeder mit jedem vernetzt ist.
Wenn dann der normale Bürger die Idee aufbringt, dass man zum Beispiel das Bussystem vollkommen anders planen müsste, kann man manchen Politikern das Unverständnis richtig ansehen. Als würden die Leute fordern, dass Wels eine „Raketenbasis“ bekommt. Jegliche Verbindung zur Bevölkerung geht damit verloren.

Sie sind in Vorarlberg geboren und haben in Salzburg studiert. Sie kennen somit auch andere Gegenden. Ist Wels ein negativer Einzelfall?
Nein, diese Machtzirkel gibt es überall. In Vorarlberg ist das nicht anders. Dort existierte viele Jahre quasi nur eine einzige Partei. Hinzu kommt, dass in Vorarlberg ein einziges Unternehmen praktisch sämtliche Medien des Landes betreibt. Wels ist medial breiter aufgestellt. Vorarlberg wird auch immer wegen seiner tollen Architektur gelobt, was zwar grundsätzlich stimmt, wenn man aber näher hinsieht, werden zB in der Raumordnung dieselben Probleme wie zB die Verhüttelung des Landes sichtbar. Jeder will sein eigenes „Hüsle“ bauen. Das hat die Raumplanung überhaupt nicht im Griff. Natürlich steigen somit auch die Verkehrsprobleme. Dazu gab es zuletzt einen landesweiten Bürgerrat, der aus der Bevölkerung entstanden ist. Also von „unten nach oben“ ein wichtiges Signal setzte! Auch dort war die Politik letztlich mit dieser Mitsprache der Bevölkerung zunächst völlig überfordert. Direkte Demokratie ist auch dort ein ständiger Lernprozess. Da braucht es ein bisschen Mut und Vertrauen in die Bürgerschaft!

Wels breitet sich auch in der Fläche aus. Wäre es nicht intelligenter, im Inneren der Stadt nach- zuverdichten und mehr in die Höhe zu expandieren?
Je weitläufiger eine Stadt verbaut ist, desto schwieriger ist es, ein gutes Angebot an Öffis zu schaffen. Eine kleinere dicht verbaute Fläche kommt dem öffentlichen Verkehr natürlich entgegen, da mehr Leute an den jeweiligen Haltestellen zu- und aussteigen.

Wie zufrieden sind Sie mit der Welser Stadtplanung?
Gibt es denn in Wels eine Stadtplanung? Ich hätte noch nichts davon gemerkt. Nein ernsthaft: Es gibt Bemühungen, so etwas wie Stadtplanungsprozesse zu entwickeln. Das Lokalbahnhofareal ist so ein Ansatz. Die Weiterentwicklung des KJ bietet ebenfalls dazu eine Riesenchance. Viel hängt von den konkreten weiteren Schritten und von echter Mitbestimmung der Bürgerschaft ab.

Wie sehen Sie das Kulturangebot in der Stadt?
Als ich nach Wels kam, wurde ich sehr offen in die Gruppe rund um das Kulturzentrum Alter Schl8hof aufgenommen. Ich vermisse aber etwas die Offenheit Neuem und damit Veränderungsprozessen gegenüber. Hier wären wir wieder bei den Netzwerken.

Danke für das Gespräch.

Zur Person:
Der 57-jährige Welser Gemeinderat der Grünen wurde in Bludenz geboren. Er studierte Jus und Rechtsinformatik in Salzburg und engagierte sich 1984 bei der neu gegründeten Bürgerliste Salzburg Land. Der Schutz der Salzach, das Waldsterben und der Protest gegen das Kraftwerk Hainburg waren ihm damals wichtige Anliegen.
Heute setzt sich Sönser besonders für das Thema Bürgerbeteiligung ein und trug maßgeblich zur Realisierung des ersten Welser Bürgerrats bei.