Prim. Dr. Eckmayr: „5-10 Prozent der Bevölkerung haben den Ernst der Lage noch nicht erkannt.“6 Min. Lesedauer
Was sind typische Symptome und was passiert im Falle einer Corona‐Infektion im Körper? Welche Bevölkerungsgruppe ist am meisten gefährdet? Antworten auf diese Fragen und mehr gibt Primar Josef Eckmayr, Leiter der Abteilung für Lungenkrankheiten am Klinikum Wels‐Grieskirchen, im Interview.
Herr Prim. Eckmayr, was sind die ersten typischen Symptome im Falle einer Infektion?
In der Regel treten drei bis fünf Tage nach engem Kontakt zu einem Infizierten Symptome auf, die einer Verkühlung ähneln. Es kommt zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit, teilweise zu Fieber und zu Husten. In weiterer Folge kann bei schwereren Verläufen eine Lungenentzündung auftreten.
Die in den Medien kolportierten Symptome einer Corona-Erkrankung sind breit gefächert – was deutet nun alles tatsächlich auf eine COVID-19-Infektion hin?
Das ist schwierig zu beantworten. Es können beinahe alle Symptome einer Verkühlung auftreten, aber auch Krankheitszeichen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Wir haben viele Patienten mit Husten, Schnupfen, Kopf- und Halsschmerzen, manchmal treten auch Geschmacksstörungen auf. Eine sehr breit gefächerte Palette an Symptomen ist möglich.
Was ist für Allergiker wichtig zu wissen?
Momentan starten wir auch in die Pollenzeit, das bedeutet, Allergiker können von teilweise ähnlichen Symptomen betroffen sein. Folgendes gilt es hier zu beachten, um selbstständig eine Unterscheidung zur Corona-Erkrankung treffen zu können: Tritt bei einem Pollenallergiker in der Frühlingszeit zwar eine gewisse Symptomatik, aber kein Fieber auf, dann ist ein allergischer Schub sehr viel wahrscheinlicher als das Vorliegen von COVID-19. Darüber hinaus lässt sich eine Pollenallergie sehr gut behandeln – mit den entsprechenden Medikamenten und Verhaltensmaßnahmen klingen die Symptome sehr gut ab. Des Weiteren verstärken sich Allergiesymptome nach Aufenthalt im Freien bei starkem Pollenflug, das heißt bei sonnigem, windigem Wetter.
Viele Menschen sind beim Auftreten von Corona-Symptomen verunsichert. Wann kann man sich zuhause auskurieren, wann ist ein stationärer Aufenthalt notwendig?
Die Fragen lassen sich pragmatisch beantworten: Mit den genannten Symptomen bei mildem Verlauf bleiben Sie bitte daheim! Wenn aber der Verdacht auf eine Lungenentzündung besteht, sprich bei einem schweren Krankheitsverlauf mit hohem Fieber, das nicht sinkt, stärkerem Husten, der sich nicht bessert, Kreislaufbeschwerden, oder bei älteren Personen auch mit Verwirrtheitszuständen, nehmen Sie bitte unbedingt telefonischen Kontakt mit einer entsprechenden Einrichtung auf – rufen Sie 1450, Ihren Hausarzt oder im Notfall auch 144 an!
Im Falle eines schweren Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung – wie reagiert der Körper?
Sehr schwere Lungenentzündungen zeigen uns die Ernsthaftigkeit der Erkrankung auf. Es handelt sich in der Regel um beidseitige Lungenentzündungen und um eine sehr starke Entzündungsreaktion in der Lunge. Das Lungengewebe und die Atemwege sind nicht mehr in der Lage, ihre Funktion ausreichend zu erfüllen. Die Atmung ist beeinträchtigt. Die Funktionseinschränkung kann sich auch auf weitere Organe ausweiten, zum Beispiel auf das Herz-Kreislauf-System oder die Nieren bis hin zum septischen Zustandsbild und Schock.
In der Regel verläuft die Erkrankung eher mild. Von welchen gesundheitlichen Problemen sind diese Patienten betroffen?
Erfreulicherweise übersteht der Großteil der Betroffenen diese Erkrankung sehr gut. Wir konnten bereits gute Erfahrungswerte mit betroffenen Patienten aus der Region machen. COVID-19 verläuft dann wie eine leichte Verkühlung mit Fieber. In der Regel verbleibt nach ein bis zwei Wochen noch ein Hustenreiz, der mit der Zeit langsam abklingt.
Welche Bevölkerungsgruppe ist besonders gefährdet? Welche Therapien benötigen die Patienten in der Regel?
Derzeit sind eher noch jüngere Personen infiziert – Stichwort Skifahren oder Kontakt zu anderen jungen Personen. Von ihnen können sehr viele zuhause bleiben bzw. zuhause behandelt werden. Bei Risikopatienten, älteren und manchmal auch bei jüngeren Patienten, die genetisch anfällig sind, kommt es zu schwereren Verläufen. Auf der Normalstation wird bei uns dann eine Behandlung der Symptome durchgeführt. Der Kreislauf wird stabilisiert, Sauerstoff verabreicht, manchmal ist auch ein Antibiotikum notwendig. Tritt ein schwererer Verlauf ein, wird der Patient auf die Intensivstation verlegt und in der Regel beatmet. Auch andere Organfunktionen können teilweise intensivmedizinisch ersetzt werden.
Wer zählt konkret zur Gruppe der Risikopatienten?
Dazu zählen alle Menschen, die geschwächt oder immungeschwächt sind. Und Immunschwäche bedeutet zum Beispiel auch eine schwere chronische Erkrankung, wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, schwere Lungenkrankheiten oder Diabetes mellitus, aber ebenso Tumorerkrankungen und alle anderen Immunsystem-Erkrankungen. Nikotinkonsum, starkes Übergewicht und höheres Alter sind Faktoren, die das Risiko steigern.
Bei coronabedingten Todesfällen werden meist schwere Vorerkrankungen angeführt. Welche Vorerkrankungen sind das?
In der Regel sind das die genannten schweren Erkrankungen beziehungsweise eine Kombination davon – Herz-Kreislauf, Lunge, Stoffwechsel- bzw. Zuckerkrankheit, aber auch Krankheiten, welche zum Beispiel eine stark immunsuppressive Therapie erfordern.
Welche Maßnahmen sind aus Sicht des Mediziners besonders wirkungsvoll zur Minimierung des Ansteckungsrisikos?
Meiner Meinung nach ist das Halten eines Mindestabstands ganz entscheidend – soziale Nähe muss so weit wie möglich vermieden werden. Das ist ein schwieriger Balanceakt, aber derzeit ganz wichtig – es ist ähnlich wie in Grippezeiten. Die zweite besonders wichtige Maßnahme ist das Händewaschen. Wer in der Öffentlichkeit unterwegs war, Gegenstände oder Türgriffe berühren oder mit Bus oder U-Bahn fahren muss – bitte unbedingt Händewaschen! Als dritte sehr effektive Maßnahme ist das Tragen von Schutzmasken anzuführen – vor allem dort, wo mehrere Menschen in einem Bereich zusammenarbeiten müssen, wie auch zum Beispiel im Supermarkt. Personen, die bereits erkrankt sind, aber aufgrund fehlender Symptomatik noch nichts davon wissen, können durch das Tragen von Masken Tröpfchen nicht an die Umgebungsluft weitergeben. Was für mich noch besonders wichtig ist: Ich sehe immer noch fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung, die den Ernst der Lage nicht richtig erkannt haben. Es bilden sich immer noch Gruppen in der Öffentlichkeit und wahrscheinlich auch im privaten Bereich. Bitte verzichten Sie auf das Treffen mit Freunden, mit Personen, die nicht im selben Haushalt wohnen, es ist wichtig, dass wir diese Infektionsketten minimal halten und weiter reduzieren!
Im Klinikum Wels-Grieskirchen ist man auf die nächsten Wochen gut vorbereitet. Mit wie vielen Fällen rechnen Sie zum Höhepunkt der Corona-Erkrankungsfälle?
Derzeit kann man das noch nicht seriös prognostizieren. Es gibt mehrere Modelle, die durchgerechnet werden, je nachdem wie die Ansteckungsrate weitergeht. Neutral gesehen könnte man davon ausgehen, dass wir hier in Österreich in den nächsten zwei bis vier Wochen Infektionszahlen von 80.000 bis 120.000 Personen erreichen. In Oberösterreich könnten zu diesem Zeitpunkt 12.000 bis 15.000 Einwohner betroffen sein. Bei einem angenommenen Anteil an krankenhauspflichtigen Personen von etwa 15 Prozent würde das für das Klinikum Wels-Grieskirchen bedeuten, dass wir ca. 350 Patienten stationär behandeln müssten – nicht alle zur gleichen Zeit, denn genesene Patienten werden entlassen, andere kommen dazu. Mit unserer Infrastruktur sind wir gut vorbereitet, auch wenn man Patientenzahlen nicht präzise vorhersagen kann. Wir haben viele Maßnahmen umgesetzt, welche verhindern, dass Verdachtsfälle unkoordiniert ins Krankenhaus kommen. Das ist sehr wichtig, um Patienten und Personal zu schützen. Wie viele Menschen tatsächlich in unserer Region erkranken, hängt natürlich ganz stark von der Wirkung der allgemeinen Maßnahmen ab.
Foto: Klinikum Wels-Grieskirchen / Nik Fleischmann