Baudirektor Ralph Grager: „Wels hat noch viel Luft nach oben.“4 Min. Lesedauer
Der aus dem bayrischen Ansbach stammende neue Welser Baudirektor ist das genaue Gegenteil seines Vorgängers. Er ist offen, direkt und fordert von seinen Mitarbeitern ein, selbstständig zu denken. Auch bringt er gedanklich frischen Wind in die Stadt, wie sich in folgendem Interview herausstellt.
Der dunkelhaarige, großgewachsene Mann in legerer Kleidung wirkt in dem verstaubten Besprechungsraum der Baudirektion so, als würde sich ein Adler in ein Taubennest zwängen müssen. An den alten Tischen unter schimmerndem Licht beginnt das Gespräch.
Herr Grager, willkommen in Wels. Der Stadt, in der man architektonisch alle Hoffnung fallen lässt.
(lacht) Drücken wir es diplomatischer aus: Es gibt in Wels noch Luft nach oben.
Sie haben also die katastrophale Stadtplanung bereits bemerkt?
In der kurzen Zeit, seitdem ich beim Magistrat bin, konnte ich mir zumindest teilweise ein Bild von der Stadt machen. Das System ist nur zum Teil erkennbar. Hier gibt es noch Nachholbedarf.
Vielleicht liegt es an der Baudirektion?
Es gibt genügend talentierte Mitarbeiter bei uns. Mir ist aber aufgefallen, dass sich einige schwer damit tun, Eigeninitiative zu zeigen. Nicht aus fehlender Motivation, eher aus Angst etwas falsch zu machen. Das ist schade. Jedes Unternehmen versucht doch, das eigenständige Denken seiner Mitarbeiter zu fördern, da ja nur das der Motor für Innovation ist.
Die Baudirektion ist auch seit Jahren dafür bekannt, die Stadt künstlich kleinhalten zu wollen. Dreistöckige Gebäude gelten ja bereits als Wolkenkratzer.
Das ist doch Schwachsinn. In Stadtzentren gehört verdichtet, auch in die Höhe. Richtung Stadtrand wird es normalerweise niedriger. Ich habe mich auch gewundert, als zu mir ein Mitarbeiter gemeint hat, dass Wels familiär bleiben sollte. Ich bin noch nicht lange in der Stadt, aber am Kaiser-Josef-Platz kann ich nichts Familiäres erkennen. Im Gegenteil: Ich sehe, dass diese Stadt vor vielen ganz und gar nicht familiären Herausforderungen steht: In Wels leben Menschen unterschiedlichster Kulturen, die einen Weg finden müssen, gemeinsam auszukommen. Wie ich gehört habe, gibt es auch ein Drogenproblem im Zentrum. Es bestehen also Probleme, ähnlich wie in einer Großstadt. Damit muss sich auch die Stadtplanung beschäftigen. Alles hängt mit allem zusammen.
Sie meinen, dass manche am Magistrat in einer Blase leben.
Das weiß ich nicht, ich sehe die Dinge eben so. Und wir hätten auch sehr fähige Leute am Magistrat, die sich den Problemen stellen können. Man muss die Abteilung nur etwas entstauben.
Es wirkt manchmal so, als würden die meisten Architekten in einer Blase leben.
Da ist vielleicht etwas dran. Ich war einmal auf einem Kongress, in dem die Zukunft des Wohnens besprochen wurde. Dort wurden die schrägsten Vorschläge gebracht, wie man soziale Probleme im sozialen Wohnbau unterbinden kann. Nach einer Stunde warf ich ein, dass die unterschiedlichen Kulturen der Bewohner nicht immer kompatibel sind und es auch deswegen zu Konflikten kommt. Das wollte keiner der Anwesenden akzeptieren. Man muss als Architekt schon so weit sein, zuerst einmal die Probleme ohne Scheuklappen zu verifizieren, um dann die richtigen Problemlösungen zu finden. Eine gewisse Bodenhaftung wäre hier von Vorteil.
Themenwechsel: Sie waren ja auch in Deutschland bei der Bahn für Infrastrukturprojekte zuständig. Die ÖBB will in den nächsten Jahren die Westbahnstrecke verbreitern, was auch in Wels für viele bauliche Veränderungen sorgen wird.
Das ist richtig. Aus diesem Grund ist es wichtig, bereits jetzt mit der ÖBB zu reden, sprich in einem möglichst frühen Planungsstadium mit einzugreifen und die Möglichkeiten für die ÖBB, aber vor allem für die Stadt Wels zu erarbeiten, damit Wels so gut wie möglich darauf vorbereitet ist
Bleiben wir beim Verkehr. Wels steht auch bezüglich Autoverkehr vor vielen Herausforderungen.
Das stimmt. Auffallend ist auch, dass die Messe keine gute Anbindung zur Autobahn hat. Es wäre zu überlegen, eine Straße von der Westspange über das Grenzgebiet der Traunauen bis zur Messe zu bauen. Ich denke, hier wäre noch Platz. Aber das muss man genau prüfen.
Es fehlt auch eine direkte West-Ost-Verbindung.
Die Diskussion gab es ja bereits vor mir. Ein Schritt in die richtige Richtung kann durch die Öffnung der Eisenhowerstraße vollzogen werden.
Sollte man den Kaiser-Josef-Platz wieder für den Verkehr in beide Richtungen öffnen?
Aus diesem Platz könnte man viel machen. Die Bushaltestelle sollte verkleinert werden, dafür ist der Platz zu kostbar. Allerdings stehen nicht wirklich viele Alternativen zur Verfügung, ebenso für eine komplette Verlegung der Bushaltestellen. Es werden allerdings Möglichkeiten im Magistrat geprüft, um die beste Lösung zu erhalten.
Eine Hauptverkehrsader sollte der KJ nicht werden, aber man kann diskutieren, eine Begegnungszone mit Autoverkehr in beiden Richtungen zu planen.
Danke für das Gespräch.
Zur Person: Der 38- jährige Ralph Grager wurde in Ansbach nahe Nürnberg geboren. Er studierte Bauingenieurwesen an der FH Nürnberg und an der Universität Kassel. Er war Regierungsbaumeister in mehreren Städten Bayerns und war bei der Deutschen Bahn am viergleisigen Ausbau der Bahnstrecke München–Berlin beteiligt. Als Hochbauingenieur arbeitete er auch lange in der Privatwirtschaft.
Fotos: Rene Hauser